Hintergrund und Entstehungsgeschichte der ICF

Mit der Gründung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde 1948 eine Dachorganisation geschaffen, welche unter anderem weltweite Leitlinien und Standards im Gesundheitswesen erarbeiten soll. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Aufgabe ist die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache zur Beschreibung des Gesundheitszustandes, von Krankheiten und deren Folgen in Bezug auf einzelne Menschen und / oder Bevölkerungsgruppen. 

Gesundheit wird dabei beschrieben als ein „Zustand von vollständigem, körperlichen, geistigen und sozialem Wohlbefinden“ und bezieht sich dabei nicht nur auf die Abwesenheit von Krankheit oder Schwäche (Soziale Orientierung). 

Zur Erfassung von Krankheiten wird von der WHO die „International Classification of Diseases“ (ICD), welche ursprünglich aus einer „Liste der Todesursachen“ entstanden ist, vorgeschlagen. Seit 1989 steht die ICD-10-Klassifizierung zur Codierung von Krankheiten zur Verfügung. Die ICD-Klassifizierung stellt jedoch in erster Linie eine medizinisch-ätiologisch orientierte Klassifizierung dar und erlaubt keine Aussage über den Gesundheitszustand und die Funktionsfähigkeit im Alltag sowie über das Ausmaß der erforderlichen Unterstützungen. Studien haben aber gezeigt, dass die Diagnose allein nicht das Ausmaß der erforderlichen Unterstützung und Pflege sowie die Länge der erforderlichen Betreuung vorhersagen kann. So kann ein und dieselbe Diagnose trotz gleicher medizinischer Behandlung bei verschiedenen Personen zu unterschiedlichen Beeinträchtigungen führen. 

1972 wurde daher von der WHO ein vorläufiges Schema zur Beschreibung der Folgen von Krankheiten entwickelt. Bereits damals wurde eine „Ebene der Schäden“ von einer „Ebene der Funktionseinschränkungen und Sozialen Beeinträchtigungen“ unterschieden. Dieses Vorgehen unterschied sich deutlich von der Tradition der ICD, in welcher verschiedene Achsen (Ätiologie, Anatomie, Pathologie, etc.) in einem hierarchischem System beschrieben wurden. 

Als Ergebnis wurde 1980 die erste Version der „International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps“ (ICIDH, 1980) publiziert. Damit war erstmals ein Schema zur Erfassung von Folgen von Krankheiten verfügbar.

In diesem Schema waren jedoch die Ebenen: „Schäden, Funktionseinschränkungen und soziale Beeinträchtigung“ sehr linear und kausal mit Krankheit verbunden. Umfeldbedingte Einflussfaktoren wie soziale Normen und Regeln und bauliche Gegebenheiten konnten in ihrem Einfluss auf den „Behinderungsprozess“ nicht adäquat abgebildet werden. Ein weiterer Kritikpunkt bezog sich auf die verwendete Terminologie, welche vorwiegend negative Assoziationen hervorriefen. 

1993 wurde daher beschlossen, einen Revisionsprozess zu starten. Das in der ICIDH erstmals integrierte „biopsychosoziale Modell“ wurde weiter entwickelt. Insbesondere der gesamte Lebenshintergrund der Betroffenen wurde als Kontextfaktoren neu miteinbezogen. 

Im Mai 2001 wurde die Klassifikation schließlich im Rahmen der 54. Vollversammlung der WHO unter der neuen Bezeichnung: „Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“ (ICF) verabschiedet. 

Während das alte System vorwiegend defizitorientiert war, präsentiert sich die ICF sowohl ressourcen- als auch defizitorientiert. In der ICF werden Bereiche klassifiziert, in denen Behinderung (Einschränkung der Funktionsfähigkeit) auftreten kann.

Die Partizipation - im Sinne des Einbezogensein in eine Lebenssituation - und deren Beeinträchtigung wird neu definiert als Wechselwirkung zwischen dem gesundheitlichen Problem einer Person (ICD) und ihren personen- und umweltbezogenen Kontextfaktoren. 

Die ICF umfasst die objektiv erfassbaren Dimensionen des menschlichen Lebens. Die subjektive Dimension der Funktionsfähigkeit und Behinderung (subjektives Wohlbefinden) ist dabei nicht eingeschlossen.

Ziele der ICF

Allgemeines Ziel der WHO ist es, einen Rahmen zur Beschreibung von Gesundheits- und mit Gesundheit zusammenhängenden Zuständen in einheitlicher und standardisierter Sprache zur Verfügung zu stellen. 

Mit der ICF verfolgt die WHO die folgenden Ziele: 

  • Sie liefert eine wissenschaftliche Grundlage für das Verstehen und das Studium des Gesundheitszustands und der mit Gesundheit zusammenhängenden Zustände, der Ergebnisse und der Determinanten.
  • Sie stellt eine gemeinsame Sprache für die Beschreibung des Gesundheitszustands und der mit Gesundheit zusammenhängenden Zustände zur Verfügung, um die Kommunikation zwischen verschiedenen Benutzern, wie Fachleuten im Gesundheitswesen, Forschern, Politikern und der Öffentlichkeit, insbesondere auch für Menschen mit Behinderungen, zu verbessern.
  • Sie ermöglicht Datenvergleiche zwischen Ländern, Disziplinen im Gesundheitswesen, Gesundheitsdiensten sowie im Zeitverlauf.
  • Sie stellt ein systematisches Verschlüsselungssystem für Gesundheitsinformationssysteme bereit.
  • Sie liefert die Grundlage zur Umsetzung von rehabilitativen Interventionsmodellen.

Aufbau der ICF 

Die ICF als Klassifikation ist hierarchisch aufgebaut. Die Informationen werden in zwei Teile gegliedert. Der eine Teil befasst sich mit Funktionsfähigkeit und Behinderung, der andere umfasst die Kontextfaktoren. Die Teile sind in Komponenten unterteilt, wobei die verschiedenen Komponenten (Körperfunktionen und –strukturen, Aktivitäten und Partizipation sowie Umweltfaktoren) unabhängig voneinander klassifiziert sind.

Details zum Aufbau der ICF finden Sie im Bereich Downloads & Services.